„Die Pflegereform schafft mehr Gerechtigkeit“

Viele Neuerungen in der Pflegeversicherung treten 2017 in Kraft. Für die meisten Pflegebedürftigen und Angehörigen bringt dies deutliche Verbesserungen mit sich, wie Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe im Interview mit der Bild am Sonntag bekräftigte.
In den nächsten Wochen beginnen die Kassen damit, die Bescheide zu verschicken, welchen Pflegegrad Betroffene künftig haben. Können Sie garantieren, dass kein Pflegebedürftiger schlechter gestellt wird?
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: Ja, das kann ich garantieren! Keiner, der heute schon Pflegeleistungen erhält, wird schlechter gestellt. Dafür gibt es einen Bestandsschutz. Die meisten Pflegebedürftigen werden sogar bessergestellt. Außerdem erhalten endlich Menschen mit Demenz gleichberechtigten Zugang zur Pflegeversicherung.
Experten zufolge müssen Betroffene mit rein körperlichen Einschränkungen mit Nachteilen rechnen...
Diese Sorge braucht sich niemand zu machen. Die Pflegereform schafft mehr Gerechtigkeit, nicht weniger. Mit dem Pflegegrad 1 zum Beispiel, der ja vollkommen neu ist, werden die ersten Leistungen sehr viel früher einsetzen. Dabei ist es egal, ob die Pflegebedürftigkeit durch eine körperliche, seelische oder geistige Beeinträchtigung begründet ist. Da rechnen wir mittelfristig mit 500.000 mehr Leistungsberechtigten!
Aber die, die mit niedriger Pflegestufe im Heim sind, werden künftig kräftiger zur Kasse gebeten. Ist das gerecht?
Das stimmt so ja nicht. Niemand, der heute im Heim ist, wird durch die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs höher belastet. Das haben wir ausgeschlossen. Hingegen werden viele entlastet. Für künftige Pflegebedürftige gilt: Wir weiten die Leistungen im häuslichen Bereich massiv aus, sodass für mehr Menschen der Verbleib in der eigenen Wohnung möglich ist. Und wer künftig mit niedrigem Pflegegrad ins Heim zieht, kann sich darauf verlassen, dass – anders als heute – sein Eigenanteil für die Pflege nicht mehr steigt, wenn seine Pflegebedürftigkeit zunimmt. Das ist eine ganz entscheidende Verbesserung!
Gibt es auch genug Pflegeheime und gutes Fachpersonal? Verdi sagt, es fehlen schon heute 35.000 bis 50.000 Fachkräfte.
Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in den nächsten 15 Jahren um etwa eine Million steigen. Es wird daher eine der größten Herausforderungen sein, genügend Fachkräfte für die Pflege zu gewinnen. Deshalb haben wir schon vor vier Jahren mit den Bundesländern ein Ausbildungs- und Qualifizierungsbündnis für Altenpflege geschaffen. Wir haben heute Rekordausbildungszahlen! Und die Zahl der Beschäftigten in der Pflege nimmt Jahr für Jahr zu. Das wollen wir weiter fördern. Wir wollen, dass die Menschen, die sich jetzt in der Alten- und Krankenpflege ausbilden lassen, gute Arbeitsbedingungen vorfinden.
Gibt es auch mehr Geld?
Gute, aber auch anstrengende Arbeit hat selbstverständlich eine faire Vergütung verdient! Deshalb haben wir klargestellt, dass die Pflegedienste und Pflegeheime Tariflöhne von der Pflegeversicherung erstattet bekommen – und dass diese dann auch wirklich bei den Pflegekräften ankommen! Außerdem wurde der Pflege-Mindestlohn weiter verbessert.
Viele Pflegediensten betrügen mit falschen Leistungs-Abrechnungen: Wie wollen Sie das besser kontrollieren?
Zunächst gilt: In den meisten Pflegediensten und Pflegeeinrichtungen wird eine richtig gute Arbeit geleistet! Es ist bitter und nicht hinnehmbar, wenn pflegebedürftigen Menschen Leistungen vorenthalten werden und damit ihre Gesundheit gefährdet wird. Abrechnungsbetrug schädigt die Beitragszahler und das Ansehen der Pflege. Wir haben die systematische Abrechnungsprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen bereits für die Altenpflege eingeführt und wollen das jetzt auch auf die häusliche Krankenpflege ausdehnen. Ich begrüße, dass weitere Bundesländer zu diesen Themen Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften einrichten wollen. Ich rate allen Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, sich bei Zweifeln sofort an die ihre Pflegekasse zu wenden.
Können Sie garantieren, dass die Beiträge zur Pflegeversicherung bis 2022 stabil bleiben?
Ja. Wir haben solide gerechnet. Es war ein großer Kraftakt, das Pflege-Paket zu schnüren. Wir haben dabei auch immer die langfristige Finanzierung im Blick.